Scheißkultur - die heilige Scheiße 1989
Ich möchte über die Hauptursache des Zerfalls unserer Zivilisation sprechen Die
Vegetation hat Jahrmillionen gebraucht, um die Schleimnis, die Giftstoffe zuzudecken mit
einer Humusschicht, einer Vegetationsschicht, einer Sauerstoffschicht, damit der Mensch auf
Erden leben kann. Und dieser undankbare Mensch holt eben diese mit langwieriger
kosmischer Mühe zugedeckte Schleimnis und eben diese Giftstoffe wieder an die Oberfläche.
So wird durch die Untat des verantwortungslosen Menschen das Ende der Welt zum
Anfang aller Zeiten. Wir begehen Selbstmord. Unsere Städte sind Krebsgeschwüre. Von
oben sieht man das genau. Wir essen nicht das, was bei uns wächst, wir holen Essen
von weit her, aus Afrika, Amerika, China und Neuseeland. Die Scheisse behalten wir
nicht. Unser Unrat, unser Abfall wird weit weggeschwemmt. Wir vergiften damit Flüsse,
Seen und Meere, oder wir transportieren sie in hochkomplizierte teure Kläranlagen, selten in
zentralisierte Kompostfabriken, oder aber unser Abfall wird vernichtet. Die Scheisse kommt
nie auf unsere Felder zurück, auch nie dorthin, wo das Essen herkommt. Der Kreislauf
vom Essen zur Scheiße funktioniert. Der Kreislauf von der Scheisse zum Essen ist
unterbrochen.
Wir machen uns einen falschen Begriff über unseren Abfall. Jedesmal wenn wir die
Wasserspülung betätigen, im Glauben, eine hygienische Handlung zu vollziehen, verstoßen
wir gegen kosmische Gesetze, denn in Wahrheit ist es eine gottlose Tat, eine frevelhafte
Geste des Todes. Wenn wir auf die Toilette gehen, von innen zusperren und unsere
Scheisse wegspülen, ziehen wir einen Schlussstrich. Warum schämen wir uns? Wovor haben
wir Angst? Was mit unsererScheisse nachher geschieht verdrängen wir, wie den Tod. Das
Klosettloch erscheint uns wie das Tor in den Tod, nur rasch weg davon, nur schnell
vergessen die Fäulnis und Verwesung. Dabei ist es gerade umgekehrt. Mit der Scheisse
beginnt erst das Leben Die Scheisse ist viel wichtiger als das Essen. Das Essen erhält
nur eine Menschheit, die sich massenweise vermehrt, an Qualität sich vermindert und eine
Todesgefahr für die Erde geworden ist, eine Todesgefahr für die Vegetation, die Tierwelt, das
Wasser, die Luft, die Humusschicht. Scheisse aber ist der Baustein unserer
Wiederauferstehung. Seit der Mensch denken kann, versucht er, unsterblich zu sein.
Der Mensch will eine Seele haben.
Die Scheisse ist unsere Seele. Durch die Scheisse können wir überleben. Durch die Scheisse
werden wir unsterblich. Warum haben wir Angst vor dem Tod? Wer eine Humustoilette
benützt hat keine Angst vor demTod, denn unsere Scheisse macht unsereWiedergeburt
möglich. Wenn wir unsere Scheisse nicht schätzen und in Humus umwandeln zu Ehren
Gottes und der Welt, verlieren wir unsere Berechtigung, auf der Erde anwesend sein zu
dürfen. Im Namen falscher Hygienegesetze verlieren wir unsere kosmische Substanz,
verlieren wir unsere Wiedergeburt....
Als Pasolini in einem Film Schauspieler Scheisse essen ließ, war das ein Symbol des
Kreislaufschließens, ein verzweifeltes Beschleunigen- Wollen. Diesselbe Liebe,
dieselbe Zeit und Sorgfalt muss aufgewendet werden für das, was 'hinten' herauskommt, wie
für das, was 'vorne' hineinkommt. Diesselbe Zeremonie wie beim Speisen, mit
Tischdecken, Messer, Gabel, Löffel, chinesische Essstäbchen, Silberbesteck und
Kerzenlicht.
Wir haben Tischgebete vor und nach dem Essen. Beim Scheissen betet niemand. Wir
danken Gott für unser tägliches Brot, das aus der Erde kommt, wir beten aber nicht, auf dass
sich unsere Scheisse wieder in Erde umwandle. Abfälle sind schön. Das Sortieren und
Wiedereingliedern der Abfälle ist eine frohe Tätigkeit. Diese Tätigkeit spielt sich nicht
in Kellern und Hinterhöfen, auf Miststätten, Toiletten und Aborten ab, sondern dort, wo wir
leben, wo Licht und Sonne ist, im Wohnzimmer, in unserem Prunkraum. Es gibt keine
Abfälle. Abfälle existieren nicht. Die Humustoilette ist ein Statussymbol. Wir
haben das Privileg, Zeuge zu sein, wie sich mit Hilfe unsererWeisheit unser eigener Abfall,
unsere Eigene Scheisse in Humus umwandelt, so wie der Baum wächst und die Ernte reift.
Bei uns zu Hause, als wärs unser eigenes Kind.
Homo - Humus - Humanitas, drei Schicksalswörter gleichen Ursprungs. Humus ist das
wahre schwarze Gold. Humus hat einen guten Geruch. Humusduft ist heiliger und
Gott näher, als der Geruch von Weihrauch. Wer nach dem Regen im Wald spazierengeht,
kennt diesen Geruch. Natürlich ist es etwas Ungeheuerliches, wenn der Abfallkübel in
den Mittelpunkt unserer Wohnung kommt und die Humustoilette auf den schönsten Platz
zum Ehrensitz wird. Das ist jedoch genau die Kehrwendung, die unsere Gesellschaft,
unsere Zivilisation jetzt nehmen muss, wenn sie überleben will. Der Humusgeruch ist
der Geruch Gottes, der Geruch der Wiederauferstehung, der Geruch der Unsterblichkeit. |